SK Lehrte  


Frauenbundesliga: Klassenerhalt in letzter Sekunde


  Torsten Bührmann   Sun, 05 Sep 2021 22:12:32

Artikelbild

Nach mehreren missglückten Versuchen war es endlich soweit: Die Frauen-Bundesliga-Saison 2019/21 sollte beendet werden. Zwar nicht wie ursprünglich geplant mit einer zentralen Endrunde – Corona hätte eine solche Veranstaltung mit über 70 Spielerinnen aus der ganzen Welt wohl zu einem mutigen Unterfangen gemacht – sondern mit drei dezentralen Austragungsorten. Für unser Team ging es deshalb ins tiefste Sachsen zu den Rodewischer Schachmiezen, die Ausrichter für unser zentrales Wochenende sein durften. Logistisch bereits eine erste Herausforderung, da die nächsten Flugplätze mindestens 1,5 Stunden entfernt waren und eine vernünftige Bahnverbindung konnte auch nicht ausgemacht werden.

Im Örtchen Schönheide ging es vor allem um den Abstieg (Platz 10 – 12): Die Plätze 9, 11 und 12 trafen hier aufeinander und auf die Gastgeberinnen, die sich als 5. entspannt zurücklehnen konnten. Allerdings konnten sie auch nur 4 Spielerinnen an die Bretter bringen und gaben somit schon immer zwei Brettpunkte ab. Die beste Ausgangslage vor dem Wochenende hatte unser Reisepartner SV Medizin Erfurt, die zwei Mannschaftspunkte Vorsprung auf den Abstiegsplatz hatten. Für uns war klar, dass wir mindestens zwei Siege holen mussten, da wir schon drei Punkte Rückstand auf den sicheren 9. Platz hatten. Insgesamt konnten noch sieben Mannschaften absteigen, sodass der Blick der begleitenden Fahrer und Fans, Jan und Torsten, zwischendurch auch immer wieder auf die Liveübertragungen in den anderen Orten fiel. Bedingt durch die Ausfälle bei den Schachmiezen hatten wir an dem Wochenende in Rodewisch das nominell stärkste Team an den Start gebracht, sodass sich vorsichtiger Optimismus verbreitete.

Am Freitagabend war das Duell mit Erfurt angesetzt. Angesichts der Tabellensituation war ein Sieg schon Pflicht, ansonsten wäre Erfurt für uns nicht mehr einholbar. Nach einigen Stunden konnten wir entspannter werden: Fiona, Nicole und Luise verwerteten ihre Vorteile kurz nacheinander zu einer beruhigenden 3 – 0 Führung. Lisa erhöhte etwas später auf 4 Punkte und sicherte uns damit den Mannschaftssieg und erhielt die Hoffnungen auf den Klassenerhalt am Leben. Abgerundet wurde das Ergebnis durch Katharinas Remis, Steffi konnte im Endspiel leider nicht mehr tricksen und musste sich geschlagen geben. Doch 4,5 Brettpunkte waren ein guter Anfang, zumal die Brettpunkte am Ende noch entscheidend werden können. Die Hofheimerinnen hatten mit der gesamten Tabellenspitze, die sich um den Meistertitel stritt, ein Hammer-Programm zum Abschluss. Nach der 9. Runde hatten sie nur noch 2 Mannschaftspunkte und einen Brettpunkt Vorsprung auf uns. Mit einem weiteren Sieg würden wir also an ihnen vorbeiziehen.

Das Duell gegen das Schlusslicht SV Weißblau Allianz Leipzig war für Samstagnachmittag angesetzt. Lediglich am ersten Brett waren wir nominell benachteiligt (Fiona spielte gegen eine IM mit 2400), an allen anderen Brettern hatten wir einen Vorteil von etwa 150 DWZ-Punkten. Angesichts der wenigen Turniere in der Corona-Zeit ist aber nicht klar, wie aussagekräftig der ist. Der Anfang war wiederum vielversprechend: Katharina, Lisa und Nicole erzielten vorteilhafte Stellungen, während Marine (sie ersetzte Luise) wie vorbereitet Turm, Bauer und aktive Stellung für zwei Figuren tauschte. Steffi musste sich den Angriffen ihrer Gegnerin erwehren und Fionas Partie war für den Berichterstatter zu kompliziert für eine Beurteilung. Doch nach und nach kippten die Partien: Katharinas aussichtsreiche Stellung hatte sich in ein ausgeglichenes Springer-Endspiel abgewickelt. Steffi verlor einen Bauern und musste sich in eine Zugwiederholung zum Remis retten. Marine stellte eine Qualität ein und musste mit ihren Freibauern Gegenspiel kreieren. Fionas Gegnerin opferte eine Leichtfigur für den Königsangriff, der durchschlug und die Führung für die Leipziger brachte. In der Zeitnotphase stellte Lisa leider eine Dame für den Turm ein und musste kurz danach aufgeben. Mit 0,5 – 2,5 brauchten wir somit noch mindestens 2,5 Punkte aus den verbliebenen drei Partien. Nicole konnte ihren Vorteil souverän zum Sieg führen, doch Katharinas und Marines Stellungen kamen nicht mehr aus der Remisbreite heraus, sodass es am Ende leider und unverdient 2,5 zu 3,5 ausging.

Für die letzte Runde war deshalb klar: Nur ein Sieg würde den Klassenerhalt bringen. Leipzig und Erfurt spielten gegeneinander, sodass mindestens einer von ihnen vor uns bliebe, wenn wir nicht gewinnen würden. Glücklicherweise waren die Ergebnisse an den anderen Standorten für uns: Hofheim und Harksheide waren noch in Schlagdistanz, jeweils 2 Mannschaftspunkte vor uns. Gegenüber Hofheim hatten wir schon 1,5 Brettpunkte mehr, gegenüber Harksheide allerdings 2,5 Brettpunkte weniger. Allerdings spielte Hofheim gegen Deizisau (3. vor dem Wochenende) und Harksheide zu fünft gegen die stark abstiegsbedrohten Karlsruher. Es war noch vieles möglich, doch der Sieg war Pflicht, um Karlsruhe und Leipzig zu distanzieren und Hofheim zu überholen, falls diese verlieren würden.

Glücklicherweise führten wir mit Start der Runde bereits kampflos 2-0, da die Rodewischer termin- und coronabedingt nur zu viert antreten konnten. An den verbliebenen vier Brettern mussten somit mindestens 1,5 Brettpunkte gegen die jeweils ca. 150 DWZ-Punkte stärkeren Gegnerinnen her. Der Beginn war aber verheißungsvoll: Nicoles Vorbereitung kam aufs Brett und nach 15 Zügen hatte sie positionellen Vorteil. Steffi hatte eine Qualität mehr, dafür hatte ihre Gegnerin potenziellen Königsangriff. Lisa hingegen musste sich mit Schwarz den Angriffen von Melanie Lubbe erwehren und Marine stellte sich zunächst solide auf. Kurz vor der Zeitnotphase konnten wir weiterhin optimistisch bleiben: Lisa konnte die eigentlich verlorene Stellung in ein Turmendspiel mit zwei Bauern weniger abwickeln, wo man zumindest noch auf Remis-Chancen hoffen kann. Steffi hatte eine Qualität gegen einen Bauern mehr und es konnten eigentlich nur zwei mögliche Ergebnisse (in unserem Sinne) werden. Marines Stellung war weiterhin in der Remisbreite, wenn auch etwas unangenehmer zu spielen. Positive Überraschung war, dass Nicole im Endspiel plötzlich eine Figur gegen einen Bauern mehr hatte. Zitat von Jan: „Das gewinne ich auch gegen Fiona!“ Den Beweis ist er bislang noch schuldig geblieben, aber den kann er ja auch später noch erbringen…

Angesichts der gewonnenen Stellung bei Nicole vereinbarte Steffi mit ihrer Gegnerin Remis. Etwas später brachte Nicole einen Bauern durch und ihre Kontrahentin gab auf. Der Klassenerhalt war damit geschafft und Nicole erzielte an diesem Wochenende sensationelle 3 aus 3! Marine konnte ihre Stellung leider nicht mehr halten und Lisa musste sich ebenfalls geschlagen geben. Die Niederlagen taten angesichts des Klassenerhalts aber nicht allzu weh. Am Ende der Saison wurde das Team sogar 8., da Leipzig knapp gegen Erfurt gewann und Hofheim die dritte 0-6 Niederlage an diesem Wochenende einsteckte. Der Meistertitel geht an den SC Bad Königshofen, die einen Mannschaftspunkt Vorsprung auf SK Schwäbisch Hall und OSG Baden-Baden haben. Die Lehrter Top-Scorerin der Saison war Katharina mit 6 aus 11, doch auch Fionas 5 aus 11 am ersten Brett können sich sehen lassen (u.a. Remis gegen GM Alexandra Kosteniuk). Die Mannschaft freut sich auf die nächste Bundesliga-Saison und wird versuchen, die Mission Klassenerhalt weniger spannend zu gestalten.

 

Der Artikel von Tobias:

Mit großem Druck und einem harten Restprogramm startete unsere erste Frauenmannschaft am Freitag nach Schönheide, wo sie in den drei noch offenen Runden aus der 2019 gestarteten Saison nacheinander gegen Erfurt, Leipzig und Rodewisch die Mission Klassenerhalt schaffen musste. In den letzten Jahren schonte unsere Mannschaft unsere Nerven deutlich mehr als diesmal, denn in der Regel war zumindest vor der letzten Runde der Klassenerhalt immer schon in trockenen Tüchern.

Dieses Jahr sah alles anders aus: Die Endrunden wurden mit dem schwierigen Ziel angetreten, nicht nur eins, sondern gleich zwei Spiele zu gewinnen, denn nach Spieltag 8 von 11 trennten uns ganze 3 Mannschaftspunkte vom rettenden Ufer. Besonders spannend wurde es an diesem Wochenende, weil zwei unserer Spiele direkte Abstiegskampf-Duelle waren: Das Spiel am Freitag gegen Erfurt und das Spiel am Samstag gegen Leipzig. Entsprechend war der Plan, diese beiden Spiele zu gewinnen und somit erstklassig zu bleiben.

Schritt 1 des Plans startete also gegen Erfurt. Gegen 21 Uhr hatten uns Nicole und Fiona bereits mit 2:0 in Führung gebracht. Als etwas später Luise gewann und schließlich Lisa mit dem 4:0 den Sieg klar machte, hatten wir die ersten beiden wichtigen Mannschaftspunkte schon mal in der Tasche. Und viel wichtiger: Durch das direkte Duell konnte Erfurt (die Mannschaft, die wir überholen mussten) nicht weiter davonziehen. Die neue Ausgangslage: Lehrte 4 Punkte, Erfurt 5, Hofheim 6. Das Samstagsduell gegen den Tabellenletzten Leipzig sollte nun die Entscheidung bringen. Übrigens der Vollständigkeit halber: Das Spiel gegen Erfurt endete mit 4½:1½, nachdem auch Katharina noch ein Remis beigesteuert hatte.

Wir schreiben Samstag, den 4. September, 14 Uhr. Die Uhren starten gegen nicht zu unterschätzende Leipziger, die an den ersten beiden Brettern mit zwei bärenstarken polnischen Spielerinnen auftrumpfen können. Insgesamt scheint die gegnerische Aufstellung aber dennoch schlagbar. Um Verwirrung zu stiften, haben wir Luise noch schnell gegen Marine ausgetauscht und den Mannschaftskampf damit in veränderter Aufstellung, verglichen mit der gegen Erfurt, gestartet. Und um 17.41 gibt es dann die ersten schlechten Nachrichten: Nachdem Fiona und Lisa verloren haben und Steffi ihre Partie remis beendet hat, kann es eigentlich nur noch um das Mannschaftsunentschieden gehen. Problem: Marine muss ein Endspiel mit Minusfigur verteidigen. Schlussendlich kann Nicole ihre Partie gewinnen und damit auf 1½:2½ verkürzen, doch nach der Punkteteilung von Katharina an Brett 2 konnte der Mannschaftspunkt auch nicht mehr dadurch gerettet werden, dass Marine den halben Punkt in ihrer Partie rettete. Man musste sich dem Tabellenletzten also mit 2½:3½ geschlagen geben.

Sonntag, 9 Uhr. Die letzte Chance. Gegen starke Gegnerinnen aus Rodewisch. Zumindest spricht aber eines für uns: Wir schon am gesamten Wochenende treten die Schachfreunde aus Rodewisch nur zu viert an. Vom Klassenerhalt trennen uns also nur 1½ Brettpunkte, die wir an vier Brettern gegen nominell überlegene Gegnerinnen erspielen müssen. Fiona und Katharina kam die undankbare Aufgabe zu, tatenlos zusehen und hoffen zu müssen, während ihre Mannschaftskolleginnen alles geben, um uns doch noch in der Frauenbundesliga zu halten. Wieder einmal erfahren wir mangels Liveübertragung erst um 12.35 Uhr durch eine aufgeregte Nachricht den ersten Zwischenstand: Steffi kämpft mit einer Mehrqualität gegen zwei Bauern um den Sieg und Nicole hat sogar eine Mehrfigur im Endspiel. Plötzlich sieht es also wieder sehr nach Klassenerhalt aus. Etwa 20 Minuten später steht das remis von Steffi fest, es fehlt noch ein Punkt zum rettenden Ufer. Zwanzig weitere Minuten Geduld waren erforderlich, bis Nicoles Gegnerin schließlich das Handtuch warf und uns auf den allerletzten Metern doch noch den Klassenerhalt ermöglichte.

Vermutlich würden mir wenige widersprechen, wenn ich Nicole zur Spielerin des Monats küre, nachdem sie mit 3 aus 3 beim Abschlusswochenende maßgeblich an den beiden Mannschaftssiegen beteiligt war. Insbesondere gegen Rodewisch war der Sieg gegen die deutlich höher bewertete Natalie Kanakova spielentscheidend und alleine für unseren Klassenerhalt verantwortlich.

Schauen wir, weil es so schön ist, abschließend nochmal auf die Tabelle: Auch jetzt, nachdem alle Spiele durch sind, sieht die ganze Situation immer noch furchtbar eng aus: Irgendwie hat Leipzig sich direkt an unsere Fersen gehängt und mit uns zusammen noch eine ganze Menge Mannschaften hinter sich gelassen, nämlich Karlsruhe, Erfurt und Hofheim. So lauten vermutlich die drei Absteiger der Saison 2019/21. Sowohl Leipzig als auch Hofheim und wir haben die Saison punktgleich mit 6 Mannschaftspunkten beendet und nur 4½ Brettpunkte haben uns vom Abstiegsplatz getrennt. Glücklicherweise schaut niemand darauf, wie knapp es am Ende war, sondern es zählt, dass wir auch in der nächsten Saison wieder die Größen des Frauenschachs (Bad Königshofen, Schwäbisch Hall und Co.) treffen und in der Bundesliga zu packenden Duellen fordern werden. Und noch ein netter Bonus: Unsere zweite Mannschaft, die bereits vor einiger Zeit den Aufstieg in die zweite Frauenbundesliga geschafft hat, weiß nun, dass es damit wirklich etwas wird. Im Falle eines Abstieges der ersten Mannschaft wäre der Aufstieg nämlich geplatzt.


Unsere Trainingszeiten
U10 Kinderschachteam Freitags, 17–18 Uhr
Jugend-Spielbetrieb (10 bis 18 Jahre) Freitags, 17–19 Uhr
Erwachsenen-Spielbetrieb Freitags, ab 20 Uhr
Schachtreff Dienstags, 19–22 Uhr

Jeweils im Haus der Vereine, Marktstraße 23

Comitec

Chessemy